“Welche Farbe hat der Montag?- Synästhesie Das Leben mit verknüpften Sinnen.
von Hinerk Emrich, Udo Schneider und Markus Zedler
erschienen in 2022 als 3. komplett überarbeitete und neu gestaltete Auflage im Hirzel Verlag
umfasst 192 Seiten
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Herzlichen Dank an Literaturtest und den Hirzelverlag für die Bereitstellung des Leseexemplars!
Klappentext:
Blauer Wein oder Buchstaben, zu denen bestimmte Farben gehören, farbige Himmelsrichtungen oder Musik, die hörend auch in Formen und Strukturen erlebt wird. Wer solche Wahrnehmungen hat, gehört zu den Synästhetikern. Lange wurde dieses Phänomen von der Wissenschaft wenig beachtet. Das ist heute anders, auch dank Psychiatern wie Hinderk Emrich. Dieses Buch präsentiert nicht nur den Standpunkt der modernen Neurowissenschaft zum Rätsel Synästhesie; es wagt sich auch in philosophische Randgebiete. Wie sieht das Leben eines Synästhetikers aus und wie funktioniert eigentlich unsere Wahrnehmung überhaupt?
So hat es mir gefallen:
Was ist eigentlich Synästhesie?
„Synesthäsie wird auch als Vermischung der Sinne bezeichnet. Darunter versteht man, dass es bei Stimulation Eier Sinnesqualitiät- bspw. des Hörens oder Riechens – zusätzlich in einer anderen Sinnesqualität, wie dem Sehen von Farben oder geometrischen Figuren, zu einer Sinneswahrnehmung kommt.“
Seite 13/14
Selbst bin ich keine Betroffene von Synästesie, kenne auch niemanden in meinem persönlichen Umfeld. Ich finde allerdings das Thema sehr spannend und wollte deshalb das Buch lesen. Gerade im Hinblick auf die menschliche Wahrnehmung und die Komplexität bzw. Unterschiede, glaube ich, dass vieles noch nicht erforscht bzw. kommuniziert wird. Wenn wir immer davon aus gehen, dass alle anderen Menschen genauso so die Dinge und Gefühle wahrnehmen, wie man selbst, dann führt das meiner Meinung nach zu einer großen Ausgrenzung von Diversität.
Dem Buch „Welche Farbe hat der Montag“ gelingt es vielleicht mehr Bewusstsein zu schaffen für das „anders sein“.
Es ist in zwei Teile aufgeteilt. Im ersten Teil wir die aktuell bekannten Theorien dargestellt und auch die Historie und Entwicklung der Theorien. Das geschieht in einer sehr gut verständlichen Sprache, mit vielen Beispielen und auch Schaubildern. Der Theorieteil lässt sich gut lesen, ohne das man abdriftet, weil es zu „medizinisch“ oder abstrakt wird.
Als LeserIn erfährt man etwas über die Entwicklung der Forschung und Betrachtung, wie unser Gehirn und unser Nervensystem funktioniert. Ich mag es immer wieder, zu erkennen, dass wir in so vielen Bereichen noch in den „Anfangsschuhen“ stecken und wir hoffentlich mit den sich immer weiter entwickelnden Methoden, noch mehr über unsere “Funktionsweisen” herausfinden. Das kann dazu führen, dass sich Menschen, wie hier Synästetiker, nicht mehr als “sonderbar” oder als “Aussenseiter” verstehen, sondern über die Erkenntnis, dass sie mit ihren Fähigkeiten nicht alleine sind, in ein ganz anderes Selbstverständnis kommen. Die Neurophilosophischen Überlegungen zur Synästhesie am Ende des ersten Teils sind ebenfalls sehr interessant zu lesen.
Weiterhin sind hier auch einige Zeichnungen und Bilder integriert, die die unterschiedliche Art der Wahrnehmung versuchen darzustellen.
„ Eine der wichtigsten Aufgaben, um Synästhetiker von großem seelischen Leid zu befreien, ist deren Aufklärung, dass es sich nicht um eine Krankheit, sondern um ein Privileg handelt, wenn sich Nervenzellen mehr miteinander verschalten als bei anderen.“
Seite 23
Im zweiten Teil des Buches haben dreizehn „Betroffene“ einen Erfahrungsbericht abgegeben. Fast allen ist gemein, dass sie durch die mediale Aufmerksamkeit der Forschung der Universität Hannover an diesem Thema, überhaupt erfahren haben, dass sie mit ihrer Art der Wahrnehmung nicht alleine sind. Teilweise schon über viele Jahrzehnte haben die Erzählenden ihre Art der Wahrnehmung für sich behalten, um nicht als sonderbar oder „verrückt“ zu gelten. Durch den Austausch mit anderen Synästhetikern haben sie in diesem Empfinden eine deutliche Erleichterung erfahren.
Das Buch zeigt auch, dass viele mittlerweile veraltete Erklärungsansätze von Wahrnehmung, immer noch omnipräsent sind, obwohl gerade die neueren Erkenntnisse zeigen, dass die Vielschichtigkeit und Komplexität der Wahrnehmung auch einen neuen Bedeutungsgehalt erzeugen kann.
Fazit:
“Welche Farbe hat der Montag“ ist ein sehr gelungenes Sachbuch zum Thema Synästhesie. Verständlich geschrieben und mit Fallbeispielen und persönlichen Erfahrungsberichten untermauert. Aber auch über das Phänomen Synstäthesie hinweg, ist das Buch lesenswert, da es sich mit dem Thema der Wahrnehmung beschäftigt und hier jede weitere Erkenntnis zu einem bessern Miteinander führen kann. Wenn man begreift, dass die unterschiedliche Art der Wahrnehmung bei Menschen zu unterschiedlichen Reaktionen führen kann, dann kann man insgesamt miteinander toleranter umgehen. Eine echte Leseempfehlung für Synästhetiker, Angehörige und alle die mehr wissen wollen!
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2 Comments
Lukas
Juni 4, 2022 at 11:02 amVielen Dank für diesen interessanten Tipp!
Fredriksson
Juni 5, 2022 at 2:26 pmSehr gerne:)