“Unsere Stimmen bei Nacht” von Franziska Fischer
erschienen am 17.05.2023 im Dumont Verlag
umfasst 300 Seiten
Vorsorglich kennzeichne ich hier die Links, die zur Verlagsseite und zur Autorenseite führen als Werbung*
Herzlichen Dank an Netgalley und den Dumont Verlag für die Bereitstellung des Leseexemplars!
Klappentext:
In einer Villa im Berliner Südwesten finden sich sechs Menschen zu einer ungewöhnlichen WG zusammen – aus Geldmangel, aus Einsamkeit, auf der Suche nach einer raschen Lösung. Die fünfundfünzigjährige Gloria kocht für alle – und sie kocht hervorragend –, nur ihr griesgrämiger Ehemann Herbert war von vornherein dagegen, dass sich andere Menschen in ihrem Heim einnisten. Als Erstes Chemieprofessor Gregor mit seiner Tochter Alissa, die permanent schlecht gelaunt unter der Trennung ihrer Eltern leidet. Wenigstens reißt sich Alissa zusammen, wenn sie sich in Herberts hauseigenem Antiquariat aufhält. Dann ist da noch Jay, ein Student, der sich dagegen sträubt, die Erwartungen seiner Familie zu erfüllen, und bemüht ist, Herbert den Internetversandhandel nahezubringen.
Schließlich zieht Lou-Ann, genannt Lou, in die Villa ein. Mit Mitte dreißig hätte sie längst irgendwo ankommen müssen, doch stattdessen ist in ihrem Leben alles ungeplant und unfertig. Vielleicht ist sie gerade deshalb diejenige, die all die um sich selbst kreiselnden Gestalten zusammenbringt. Etwas verschiebt sich in dem Gefüge. Die Zweckgemeinschaft wird zur Wahlfamilie, aber das Konstrukt ist zerbrechlich.
So hat es mir gefallen:
In die Geschichte von Franziska Fischer habe ich mich erst einmal ein paar Seiten lang einfinden müssen. Zu groß war mein Vorurteil zum Thema “Alte Villa in Berlin und WG”. Ich wollte nicht etwas über hippe Großstädter lesen. Glücklicherweise bin ich schnell eines Besseren belehrt worden.
Die Geschichte um die Menschen, die in der alten Villa bei Gloria und Herbert einziehen, entwickelt sich ganz anders als gedacht. Was aus einer Art Notlage ensteht- Gloria und Herbert müssen ihr Haus untervermieten, um es halten zu können, wächst zu einer ganz besonderen Gemeinschaft zusammen.
Lou-Ann, die als Letzte in die Villa eingezogen ist, ist eine Art transformative Kraft. Sie bringt das Gefüge in Schwung, weil sie interessiert ist an den anderen Mitbewohnern und mit jedem auf eine bestimmt Art umgeht.
Alle Figuren sind wunderbar erzählt und haben ihre Eigenheiten und Liebenswürdigkeiten. Jeder jat sein “Päckchen zu tragen”, wobei das nicht unbedingt im Vordergrund steht.
Ich mochte auch sehr, wie die “Eigentümer” Gloria und Herbert, durch die neuen Mitbewohner aus der “Reserve” gelockt werden und nochmal einen ganz anderen Standpunkt zum Leben entwickeln.
Überhaupt sind die Beziehungen der einzelnen Bewohner so wunderbar erzählt und kommen völlig ohne Clichés aus.
Menschen in unterschiedlichen Lebensphasen und unterschiedlichen Proplematiken und Prägungen finden hier zusammen und was ganz zart entsteht, ist ein gemeinsames Mitgefühl und eine gegenseitige Unterstützung ohne, dass es aufgesetzt wirkt.
Alissa, die durch die Trennung ihrer Eltern in der Pubertät irgendwie die Orientiernúng verloren hat, sowie Gloria, die nun, nachdem die Kinder aus dem Haus sind, ebenfalls wieder nach Orientierung sucht. Alle Personen, unabhängig von ihrem bisherigen Leben, versuchen sich täglich dem Leben zu stellen und es gibt keine Begrenzung, vor allem wenn einem andere Menschen auch andere Wege aufzeigen können.
…sie musste sich doch freuen, wenn die Menschen in dieserm Haus solch einen Aufwand nur ihretwegen betrieben, und irgendwie tat sie das auch und gleichzeitig nicht. Es war eine Freude, von der sie wusste, dass sie da war, ohne sie spüren zu können, sie war weit weg von ihr und winkte ihr aus dem Nebel zu.
Fazit:
Mit “Unsere Stimmen bei Nacht” ist Franziska Fischer definitiv in die Riege meiner LieblingsautorInnen aufgestiegen. Ihren Roman ” In den Wäldern der Bieber” habe ich auch schon sehr gemocht. Dieses Buch hätte, wenn es nach mir geht, niemals aufhören müssen. Zu gerne hätte ich die Geschichte der Figuren weiterverfolgt. Gleichzeitig ist das Ende aber wiederum sehr gelungen, was bei so einem Roman nicht wirklich einfach ist. Manchmal entsteht eine große Familie unabhängig von tatsächlicher Verwandschaft, ganz zufällig.
Große Leseempfehlung!
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