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“Die Wahrheiten meiner Mutter” von Vigdis Hjorth

“Die Wahrheiten meiner Mutter” von Vigdis Hjorth

erschienen am 27.09.2023 bei S. Fischer Verlage

umfasst 400 Seiten

Vorsorglich kennzeichne ich hier die Links, die zur Verlagsseite und zur Autorenseite führen als Werbung*

Herzlichen Dank an Netgalley und S. Fischer Verlage  für die Bereitstellung des Leseexemplars!


Klappentext:

Johanna ist keine gute Tochter. Um sich zu retten, hat sie die Familie verlassen. Jetzt, dreißig Jahre später, ist sie wieder zu Hause. Sie sucht Nähe, sie will den Kontakt zur Mutter erzwingen, doch die verweigert sich kühl jeder Annäherung. Heimgesucht von den Erinnerungen an die Kindheit zieht Johanna sich in eine einsame Hütte am Fjord zurück, wo es an ihr ist, die Verhältnisse zu ordnen und sich aus den familiären Zwängen zu befreien.

So hat es mir gefallen:

Liest man “Die Wahrheiten meiner Mutter” nimmt man sozusagen an einem Kammerspiel teil. Die Geschichte wird in einem interessanten Stil erzählt. Als LeserInnen befindet man sich im Kopf der Protagonistin Johanna.

Johanna kommt zurück in ihre Heimatstadt Oslo und versucht Kontakt zu Ihrer Mutter aufzunehmen. Das Verhältnis zu ihrer Mutter ist zerrüttet ohne das man weiß wieso. Sie ist Künstlerin und hat vor einigen Jahren Kunstwerke zum Thema Mutter in Oslo ausgestellt- sehr zum Missmut ihrer Mutter.

Man erfährt anfangs nur, dass diese Ausstellung einer der Gründe dafür ist, dass das Mutter-Tochter Verhältnis belastet ist. Außerdem ist Johanna nach Amerika gezogen, hat ihren Mann in Norwegen verlassen und hat mit einem anderen Mann, der mittlerweile verstorben ist, eine Familie gegründet. 

Johanna sucht den Kontakt zu ihrer Mutter, sie ruft an, ohne dass die Mutter drangeht- oder ruft sie vielleicht gar nicht an?

Das interessante an dem Text ist, dass man die Gedanken verfolgt und die Abgrenzung zur Realität nicht klar ist.

Das machte es allerdings für mich auch teilweise schwierig beim Lesen, denn bis zur Mitte des Buches wiederholen sich die Gedanken und es ist stellenweise zäh zu lesen, da man darauf wartet mehr Informationen zu erhalten oder darauf, dass etwas tatsächlich passiert.

Die LeserInnen werden Zeuge, wie sie versucht die Mutter zu kontaktieren, sie „beobachtet“ und sich dazu ihre Gedanken macht. Es ist ein besonderer Stil, denn man ist die ganz Zeit im Kopf der Protagonistin und erfährt alles Denken. Das führt dazu, dass es schwierig wird zwischen der eigentlichen Realität und dem Gedankenkonstrukt zu unterscheiden. bzw. es zeigt die Subjektivität der eigenen Gedankenwelt und die Realität die man persönlich erschaffen hat bzw. interpretiert hat.

Was anfangs ein interessantes Stilmittel ist, wird nach den ersten Seiten etwas zäh. Das Buch hat sich für mich bis zur Mitte gezogen, weil man zwar die ganze Zeit darauf wartet irgendeine Art von Erklärung zu bekommen, bzw. darauf, dass es tatsächlich zu einem Zusammentreffen der beiden Frauen kommt. Letztlich nimmt die Geschichte nach der Hälfte erst wieder an Fahrt auf, aber bis dahin musste ich mich etwas durchbeissen.

Die Schwester, die sich um die Mutter kümmert, wird am Rande mit erzählt, als diejenige, die sich der Mutter annimmt und Sprachrohr der Mutter wird. Dadurch wird die Subjektivität des Erlebten nochmals untermauert. Denn obwohl beide Töchter in der selben Familie aufgewachsen sind, sind die Rollen und die Wahrnehmung sehr unterschiedlich. 

Das Buch ist ein Zeugnis eines Traumas in einer Mutter- Tochter Beziehung. Wie Trauma durch die Mutter einerseits weitergegeben wird und gleichzeitig, wie die Tochter „ gefangen“ ist in einer Art Verantwortungsbewusstsein für die Mutter und gleichzeitig auf deren Liebe und Anerkennung hofft. Die Leserinnen erfahren über die Beziehung und die Kindheit nur durch die teils kindliche Wahrnehmung der Protagonistin. 

Beeindruckend fand ich, wie sie es schafft, dieses Trauma zu erzählen und gerade die subtilen Andeutungen des Umgangs miteinander, die möglicherweise ganze Generationen geprägt haben, eine Atmosphäre zu geben.

Das Ende des Buches ist sehr gelungen, da es nicht gesellschaftliche Clichés wiedergibt, sondern tatsächlich ein sinnvolles und gutes Ende darstellt. 

Auch der Titel ist sehr gelungen, weil es hier stark um die persönlichen Wahrheiten der einzelnen Personen geht und wie unterschiedlich diese sein können.

Gibt es dann überhaupt eine Wahrheit oder nur Meinung und Interpretation?

Fazit:

„Die Wahrheiten meiner Mutter“ ist ein stilistisch interessantes Buch. Es hat einige Längen und manches war mir dann zu „angedeutet“ und hätte eventuell etwas mehr Klarheit vertragen können. Andererseits lässt diese Offenheit Raum für persönliche Interpretation, was das Buch sicherlich interessant macht. Mich hat es an einigen Stellen etwas getriggert, da ich in einer ähnlichen Mutter-Tochter Konstellation aufgewachsen bin. Letztlich würde es mich interessieren, wie es LeserInnen empfinden, die in einem völlig anderen Kontext groß geworden sind. 

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