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“Klara vergessen” von Isabelle Autissier

Klara vergessen

In 2017 habe ich “Herz aus Eis” von Isabelle Autissier gelesen und Ihre besondere Art zu erzählen, sowie die Geschichte haben mich begeistert. Ich habe mich sehr gefreut, dass der Mare-Verlag mir ihr neustes Buch als Leseexemplar zur Verfügung gestellt hat.


“Klara vergessen”

von Isabelle Autissier

erschienen am 04. Februar 2020 im Mare Verlag


Klappentext:

Murmansk, nördlich des Polarkreises. Zum ersten Mal kehrt Juri, der längst als Ornithologe in Nordamerika lebt, in seine Heimat zurück. Sein Vater Rubin liegt im Sterben, lediglich das Rätsel um Juris Großmutter Klara – eine Wissenschaftlerin zur Zeit Stalins, die vor den Augen des damals vierjährigen Rubin verhaftet wurde – hält ihn am Leben. Klaras Verschwinden und eine Jugend voller Entbehrungen haben aus Rubin einen unerbittlichen Fischer und hartherzigen Vater gemacht, der seinen ungeliebten Sohn nun in einem letzten Aufeinandertreffen um Hilfe bittet: Er soll herausfinden, was mit Klara passiert ist. Und schließlich stößt Juri auf eine Wahrheit, die ihm vor Augen führt, wie eng alle drei Schicksale – sein eigenes, Klaras und Rubins – miteinander verknüpft sind …


*vorsorglich kennzeichne ich hier die Links, die zur Verlagsseite und zur Autorenseite führen als Werbung* Herzlichen Dank an den Mareverlag für die Bereitstellung des Leseexemplars!


So hat es mir gefallen:

“Klara Vergessen” ist sicher kein Wohlfühlbuch. Es ist spannend wie ein Krimi geschrieben und die teilweise Brutalität, mit der Juris Vater seinem Sohn begegnet ist, ist schwer erträglich.

Es zeichnet die Geschichte einer Familie über drei Generationen nach, die dem Schicksal der politischen Entwicklungen ausgesetzt sind. Leben in der Sowjetunion von der Stalinaera bis heute. Ich selbst haben noch stellenweise den „kalten Krieg“ zumindest medial und in der Schule mitbekommen. Die Represalien der Menschen in der Sowjetunion hier zu lesen, ist schwer erträglich. Erst vor ein paar Wochen habe ich die Fernsehserie „Tschernobyl“ gesehen und konnte mich auch hier, zumindest als damals 12 Jährige, an das Erlebnis erinnern. Das, was diese Serie ausmacht, kommt auch in diesem Buch zum tragen. Der Gehorsam, die Willkür und letztlich die Gewalt des Stärkeren, das so viele Familien und Menschen betroffen und über eine lange Zeit geprägt hat.

„ Es fiel ihm schwer, seine Erinnerungen und die Realität auseinander zu halten. War das tatsächlich er, der beinahe siebzehn Jahre an diesem trsotlosen, hertunergekommenen Ort gelebt hatte? Hatte er wirklich hier gelebt?…Er hatte hier mit drei anderen Menschen zu tun gehabt, von denen er damals abhängig war, ohne dass er einen Sinn darin erkannt hätte.“

Juri verlässt früh sein Elternhaus und sein Heimatland, um im “gelobten” Land zu studieren und sich eine Zukunft aufbauen zu können. Auch hinsichtlich seiner Homosexualität hat er dort die Freiheit dies zu leben. Er versucht so gut wie möglich seine Wurzeln zu verleugnen, wird aber von der Vergangenheit eingeholt. Als sein Vater im Sterben liegt, muss er zurückkehren und sich mit der Vergangenheit auseinandersetzen.

Der Leser hat das große Glück sowohl die Geschichte Juris, als auch die Lebensgeschichten seines Vaters Rubin und seiner Großmutter Klara, jeweils aus der Ich-Perspektive, kennenzulernen. Das führt dazu, dass die ursprünglich so vermeintlich klaren Bilder der jeweiligen Personen sich verändern und ein tieferes Verständnis entsteht. Es enstehen eine Art Schicksalslinien, die über Generationen weiter wirken. Durch Juris Hinterfragen und seine Nachforschungen über das Leben seiner Großmutter Klara, erhält er einen tieferen Einblick, sowohl in die Familiengeschichte, als auch in die gesellschaftliche und politische Situation seines Heimatlandes. Er bekommt dadurch die Chance, die Vergangenheit zu verstehen und die Auswirkungen auf sich und sein Leben zu begreifen. Er kann dadurch auch erkennen, welch großes Glück er hatte, letztlich seinen eigenen Lebensentwurf frei zu gestalten und zu leben.

Fazit:

Isabelle Autissier ist es mit ihrer besonderen Erzählkunst gelungen, das Schicksal mehrer Menschen in einer politisch und gesellschaftlich besonderen Zeit unglaublich intensiv und berührend darzustellen. Sogartig zieht einen das Geschehen mit sich, man bangt, ist wütend, traurig und hoffnungsvoll. Ich liebe diese Art von Büchern, die den Leser emotional herausfordern. Am Ende bleibt eine Art Trauer über die Leben, die so stark von außen, von politsch mehr als fragwürdigen Systemen bestimmt wurden und die immer wiederkehrende Erkenntnis, wie wichtig unsere persönliche Freiheit und unser Gestaltungswille ist.

Nicht zuletzt ein großes Kompliment an die wunderbare Übersetzung von Kirsten Gleinig und den Mareverlag, der es immer wieder schafft, wunderbare Geschichten zu verlegen und die Bücher durch ein so schönes Layout und hochwertige Haptik einzigartig zu gestalten!

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2 Comments

  • Reply
    wolfgang weiland
    Mai 12, 2020 at 2:55 pm

    dankeschön, ich mag Familienerzählungen, ich werde es lesen…

    lg wolfgang

    • Reply
      Fredriksson
      Mai 13, 2020 at 3:53 pm

      Gerne:)
      Viel Spass beim Lesen.
      LG
      Isabel

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