In den 90er Jahren habe ich meinen Traumberuf „Erzieherin“ gelernt und natürlich auch mit Heil- und Behindertenpädagogik zu tun gehabt. Damals war das Thema „Einzelintegration“ bzw. „integrative Gruppen“ in den Kindergärten ziemlich aktuell. Als ich auf den Sozialen Medien meiner „Lieblingsinsel“ Langeoog las, dass das ZDF für die Reportage „37 Grad“ Kerstin Held und ihre Familie mit der Kamera begleitet, wollte ich gerne mehr darüber wissen. So ist das Buch „Mama Held- jedes Kind hat ein Recht auf Familie“ bei mir eingezogen.
“Mama Held- Jedes Kind hat ein Recht auf Familie” von Kerstin Held
erschienen im Kösel Verlag
umfasst 240 Seiten
*vorsorglich kennzeichne ich hier die Links, die zur Verlagsseite und zur Autorenseite führen als Werbung*
Vielen Dank an den btb Verlag für das Rezensionsexemplar!
Klappentext:
Kerstin Held schafft es wie keine Zweite, Kinder glücklich zu machen, die sonst keine Chance hätten. Die heute 44 jährige gibt behinderten Pflegekindern ein familiäres Zuhause – oft gegen viele Widerstände. Bis heute hat Kerstin Held als Pflegemutter zwölf Kinder aufgenommen, zehn davon schwerbehindert. In »Jedes Kind hat ein Recht auf Familie« erzählt sie nun von ihrem steinigen Weg zur »Mama Held« und heutigen Vorsitzenden des Bundesverbands behinderter Pflegekinder. Kerstin Held setzt sich mit all ihrer Kraft dafür ein, dass behinderte Pflegekinder eine größere Lobby bekommen.
So hat es mir gefallen:
Ich kann nicht sagen, wie das Buch auf jemanden wirkt, der noch nie mit dem Thema Kinder, Behinderung, Pflegefamilie zu tun hatte, auf jedenfall ist es ein Buch, dass definitiv zur gesellschaftlichen Diskussion anregt.
Kerstin erzählt sehr offen über ihre persönliche Kindheit und den Weg zu dem Leben, dass sie nun schon über einige Jahre lebt. Sie selbst ist aufgewachsen mit einer behinderten Schwester, was nicht immer leicht war, insbesondere hinsichtlich der daraus resultierenden Familiendynamik. Glücklicherweise hatte Kerstin Held die Möglichkeit in eine innige Beziehung mit ihrer Schwester zu kommen, was u.a. dazu führte, wie sie heute lebt. Sie gibt behinderten Kindern ein Zuhause in einer Pflegefamilie und managed dabei einen Haushalt, in dem sie mit Pflegekräften und diversen Unterstützungenzusammen arbeitet.
Mir war nicht bekannt, dass es in Deutschland die Möglichkeit einer Pflegefamilie für behinderte Kinder noch gar nicht lange gibt und Kerstin Held hier eine Vorreiterin und Initiatorin dafür ist. Sie beschreibt den „Kampf“ mit Behörden und dem “Hin und Her” mit den zuständigen Stellen. Hier wird schon klar, dass man ein besonderer Charakter sein muss, um diese Kraft aufzubringen. Das sie es macht und es ist ihr erfolgreich gelingt, ihr Anliegen durchzusetzen, ist großartig.
Was ist das Besondere daran behinderte Kinder in einer Pflegefamilie unterzubringen?
Die Entwicklungsmöglichkeiten der Kinder in einem Familienverbund sind herausragend. Durch die alltäglichen Einflüsse, werden die Kinder täglich angeregt und können dadurch große Entwicklungsfortschritte machen. Natürlich steht die emotionale Begleitung der Kinder an erster Stelle, die hier viel differenzierter und liebevoller ist, als bei einer Unterbringung in einer Einrichtung. Darauf reagieren die Kinder natürlich positiv.
Es macht einen wirklich glücklich über eine Frau zu lesen, die sich so engagiert und mit viel Herzblut und Durchsetzungsvermögen unterschiedliche Themen angeht.
Das fetale Alkoholsyndrom
Unter anderem liegt ihr auch das Thema „fetales Alkoholsyndrom (FAS)“ am Herzen.
In Deutschland gibt es etwas 12.500 Kinder die pro Jahr mit FAS geboren werden. Das ist „Platz 1“ unter den Behinderungen. Vor allem ist eine Behinderung, die zu 100% vermeidbar ist, obwohl durch die unterschiedliche Ausprägung und Symptomatik es immer wieder Probleme gibt, dies als Behinderung anerkannt zu bekommen.
„Da Kinder im Mutterleib bis zum 7. Monat keine eigene funktionieren Leber haben, wird von jedem Schluck Alkohol (den die Mutter in der Schwangerschaft zu sich nimmt) eine große Menge im Babykörper für längere Zeit verweilen.“
Was mir besonders gut gefällt an dem Buch ist, dass Kerstin Held nicht moralisiert und Schuldzuweisungen gibt. Vielmehr fordert sie Aufklärung, versucht zu unterstützen und geht mit einer professionellen organisierten Art die Dinge an.
Die Schicksale der einzelnen Kinder, die sie betreut sind nicht immer leicht zu „verdauen“ und haben mich das ein und andere Mal wirklich erschüttert. Missbrauch, Vernachlässigung und Tod werden in diesem Buch thematisiert und sind stellenweise schwer zu lesen. TRotzdem empfinde ich es als richtig und wichtig, die Dinge beim Namen zu nennen, um auch dadurch ggf. ein Umdenken anzuregen.
Ich habe größten Respekt vor der Arbeit und dem Engagement von Kerstin Held. Ich bin sehr froh, dass es Menschen gibt, die sich in dieser Weise engagieren, die vor Problemen nicht zurückschrecken und Menschen eine Stimme geben, die selbst keine haben. Trotz Ihres täglichen Kampfes mit den Behörden, Krankenkassen etc. , gibt sie den Kindern eine Familie, einen Platz wo sie Liebe und Gemeinschaft erfahren und das ist so wunderbar.
Seit 2011 ist Kerstin Held im Vorstand des Bundesverbandes behinderter Kinder e.V. und seit 2014 dessen Vorsitzenden.
Fazit:
Danke für dieses Buch, dass viel Aufklärungsarbeit leistet, das mir gezeigt hat, dass wir in Deutschland in einigen Bereichen noch viel zu tun haben und das hoffentlich dazu führt, dass mehr Menschen umdenken und mitdenken. Ich wünsche diesem Buch viele Leser!
Loading Likes...
2 Comments
Wolfgang Nießen
November 26, 2020 at 6:48 amWow, ich bewundere diese Frau. Ich kann mir sehr gut vorstellen wie schwierig das ist, aber auch wieviel sie den Kindern geben kann und wie wertvoll ihre Arbeit ist.
Ich wünsche Dir noch eine schöne Restwoche, und bleib gesund.
Viele liebe Grüße
Wolfgang
Fredriksson
November 26, 2020 at 9:21 pmJa, ich finde es auch enorm bewundernswert und vorbildlich.
Bleib auch gesund und vorab schonmal ein schönes Wochenende.
Viele Grüße
Isabel