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“Oberkampf” von Hilmar Klute

Oberkampf

Anfang September begann in Paris der Prozess zu den Attentaten auf “Charlie Hebdo”. Mehr als fünf Jahre sind vergangen, seit diese schreckliche Anschlagsserie Paris erschütterte. Hilmar Klutes Roman “Oberkampf” spielt im Umfeld dieses Anschlags.


“Oberkampf” von Hilmar Klute

erschienen am 20.08.2020 bei Galiani-Berlin

umfasst 320 Seiten

*vorsorglich kennzeichne ich hier die Links, die zur Verlagsseite und zur Autorenseite führen als Werbung*

Vielen Dank an Galiani Berlin für das Rezensionsexemplar!


Klappentext:

Die letzte Beziehung beendet und den Job aufgegeben, zieht Jonas Becker nach Paris, um endlich seinen Traum vom Leben als freier Schriftsteller zu verwirklichen. Der Plan – ein Buch über den bohemienhaften Schriftsteller Richard Stein schreiben, während der Verlag die Miete für die kleine Wohnung in der Rue Oberkampf zahlt – scheint zu funktionieren: Die Tage verbringt Jonas mit dem von ihm verehrten Autor, nachts trifft er sich mit seiner neuen Freundin Christine in einer Bar nebenan.

Doch mit dem Attentat auf Charlie Hebdo ist die schwebende Atmosphäre in Paris wie weggewischt, die Stadt ist plötzlich im Ausnahmezustand. Zudem reißt ein Brief seiner Ex-Freundin bei Jonas alte Wunden auf, und er erfährt vom plötzlichen Tod eines Freundes. Auch beim anfangs so unerschütterlich selbstgewiss wirkenden Stein zeigen sich Brüche – Jonas erfährt, dass Stein einen vom Vater entfremdeten Sohn hat, der in den USA verschollen ging und in eine Drogenkarriere abzustürzen droht. Als Stein ihn bittet, mit ihm in Amerika den Sohn zu suchen, sagt er zu. Und auch bei Christine muss Jonas sich entscheiden, wie ernst er es meint …

So hat es mir gefallen:

Jonas Becker, der Protagonist, nimmt den/die Leser/in mit in sein neues Leben nach Paris. Kaum, dass er vor Ort angekommen ist, geschehen in unmittelbarer Nähe zu seiner Wohnung die oben genannten Anschläge auf die Satirezeitung “Charlie Hebdo”. Nachdem Jonas in Berlin alle seine Brücken abgebrochen hat und sich nun in Paris “neu” (er)finden will, wird die Stadt erschüttert und das Leben im öffentlichen Raum verändert sich.

Jonas, der über den Autor Richard Stein ein Buch schreiben will, wird scheinbar absorbiert von den Geschichten des Schriftstellers und dessen Vergangenheit. In einer Art Hass-Verehrung werden die alten Erzählungen ihm immer lästiger. Gleichzeitig holen ihn Teile seiner Vergangenheit in Berlin wieder ein und es gelingt ihm immer weniger sich selbst zu finden. Eher fühlt er sich gefangen in dem Netz der Menschen, um den von ihm einst bewunderten Schriftsteller Stein. Dieser wird für Jonas immer mehr entmystifiziert, was letztlich dann vielleicht gerade zur Befreiung führt.

Parallel dazu pflegt er eine zunächst eher oberflächliche Beziehung zu Christine, die er am ersten Abend in Paris kennenlernt. Christine ist eher eine kämpferische Frau, die den sozialen Ungerechtigkeiten und der Erschütterung der Stadt auf den Grund gehen will. Sie ist interessiert an den Ereignissen der Gegenwart und wie diese die Gesellschaft verändern. Jonas ist dadurch in einer Art “Netz” zwischen Christine Engagement, Steins alten Geschichten und seiner eigenen Vergangenheit gefangen.

Hilmar Klute gelingt es wunderbar die Atmosphäre in Paris und das Spannungsverhältnis zwischen Stein und Jonas zu beschreiben. Das tägliche Leben in Paris, dass viel im öffentlichen Raum stattfindet und weniger nur in den eigenen vier Wänden, wird durch die Ereignisse stark erschüttert.

Das Innenleben von Jonas wird so authentisch erzählt, dass man schnell gefangen ist in diesem besonderen Roman. Ein Buch, dass Zerrissenheit auf mehreren Ebenen thematisiert.

Neben den Ereignissen in der Hauptstadt Frankreichs, begibt man sich mit Jonas auf die Such nach seinem Lebenssinn.

Wird der bewunderte “Held” Stein, möglicherweise als Vaterfigur stilisiert, und scheitert dann doch? Welches Leben möchte Jonas mit Anfang 40 führen? Wohin gehört er? All diese Fragen werden in der Handlung gespiegelt.

Das Ende werde ich hier auf keinen Fall vorweg nehmen, aber es ist ein Ende, dass sehr würdig ist für diesen Roman und das dem/der Leser/in noch länger im Kopf bleibt.

Der Schreibstil von Hilmar Klute ist großartig. Viele wunderbare Sätze in “Oberkampf” habe ich markiert, da sie oft komplexe Verhältnisse in ein paar Wörter wunderbar beschreiben und auch den ein und anderen ironischen Unterton haben.

“Die Stadt, das Land, die ganze Welt verfolgte diese zwei oder drei Männer, die mit ein paar Kalaschnikow-Salven die Zivilisation zum Krüppel geschossen hatten. Die Gewalt machte aus einem Volk ein anderes Volk. Sie stellt die Angst an die Stelle der Sicherheit.

Oberkampf Seite 64

Fazit:

“Oberkampf” ist ein Roman, der modern und gleichzeitig zeitlos ist und die richtigen Fragen thematisiert. Er hat eine tolle Atmosphäre und ist in einem großartigen Stil geschrieben.

Ich möchte gerne noch mehr Romane von Hilmar Klute lesen mit seiner phantastischen Art zu schreiben.

Klare Leseempfehlung!

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