“Wo die Wölfe sind” von Charlotte McConaghy
Als Hörbuch erschienen im Argon Verlag
Gelesen von Eva Meckbach
Erschienen am 30.03.2022 im Argon Verlag
Umfasst 11:22 Hörstunden
*vorsorglich kennzeichne ich hier die Links, die zur Verlagsseite und zur Autorenseite führen als Werbung*
Herzlichen Dank an den Argon Verlag für die Bereitstellung des Hörexemplars!
Klappentext:
Inti Flynn kommt nach Schottland, um bei der Wiederansiedlung von Wölfen in den Highlands zu helfen. Als Wissenschaftlerin weiß sie, dass die wilden Tiere die einzige Rettung für die zerstörte Landschaft sind. Als Frau hofft sie auf einen Neuanfang. Sie ist nicht mehr die, die sie einst war, hat sich von den Menschen zurückgezogen. Denn die Wolfsbiologin besitzt die seltene Fähigkeit, Gefühle von anderen Lebewesen körperlich nachzuempfinden. Doch die Gewalt, die Inti aus Alaska vertrieb, holt sie ein. Als ein Farmer tot aufgefunden wird und eine Hetzjagd auf ihre Tiere beginnt, muss sie sich ihren Ängsten stellen: Wird sie je wieder menschliche Nähe zulassen können – oder von der Wildnis verschlungen werden, die sie retten will?
So hat es mir gefallen:
Es ist gar nicht so einfach über dieses Buch zu schreiben ohne zu spoilern.
Es ist ein Roman der eine besondere Tiefe, eine Melancholie, einen Schrecken und Gewalt und letztlich Liebe beinhaltete. Also die gesamte Palette der Gefühle „anspielt“, durchspielt und die Essenz herausarbeitet.
Das besondere ist das Wie. Die Schreibstil von Charlotte McConaghy ist besonders, eindringlich und schonungslos. Bereits in ihrem letzten Buch „Zugvögel“ ist ihr das hervorragend gelungen und doch ist dieser Roman noch eine Stufe weiter.
Inti, die Protagonistin ist eine besondere Frau. Sie hat von Geburt an “Mirror-Touch-Synästhesie”, was bedeutet, dass sie die Gefühle von anderen Lebewesen direkt spürt. Was einerseits eine besondere Verbindung schafft und gleichzeitig sie selbst extrem verletzlich macht.
Ich habe dieses Phänomen extra gegoogelt, da ich noch nie davon gehört habe. Allein, dass es in diesem Buch aufgegriffen wird, finde ich sehr interessant. Es wurde erst 2005 entdeckt und umfasst einen Vielzahl von Empfindungsmöglichkeiten für anderen Lebewesen.
Einer von Intis “Auswegen” ist ihre Arbeit mit den Wölfen. Nah sein an der Natur, dadurch fühlt sie sich lebendig. Sie ist aufgewachsen teils bei einem Vater, der im Einklang mit der Natur lebt, seine Nahrung jagt und sich mit dem „Puls der Natur“ bewegt. Teilweise lebte sie auch bei ihrer Mutter, die Polizistin in der Stadt ist und nur das „schlechte“ im Menschen sieht und versucht sie darauf vorzubereiten. Dieses Spannungsfeld lässt sie die gesamte Bandbreite des menschlichen Daseins „begreifen“.
Mit dem Auswilderungsprojekt der Wölfe in den Schottischen Highlands, befindet sich Inti im Konflikt mit den Bewohnern der Gegend, die Angst um ihre Herden haben und die Wölfe ablehnen. Es kommt immer wieder zu Zwischenfällen. Gleichzeitig spürt sie, dass einer der Anwohner seine Frau misshandelt. Das löst bei ihr eine Reihe von Reaktionen aus. Als sie den Polizisten Dunkan kennenlernt, merkt sie, dass immer mehr Gefühle ins Spiel kommen, was sie beängstigt.
Inti lebt mit ihrer Zwillingsschwester Eggi zusammen und sorgt für diese, es bleibt den Lesern zunächst verborgen, was mit ihrer Schwester los ist, in wie weit sie hilfsbedürftig ist. Stellenweise warf sich für mich der Gedanke auf, ob es die Zwillingsschwester tatsächlich gibt oder ob es sich hier um eine Art multiple Persönlichkeit handelt.
Die Geschichte spitzt sich immer mehr zu und betrifft insbesondere die Traumata, die sowohl Inti mit ihrer Zwillingsschwester erlebt hat, als auch die, die Dunkan in seiner Kindheit erleben musste.
Über Gedankenflashbacks erfährt der/die LeserIn was in der Vergangenheit geschehen ist. Hier muss ich eine absolute Triggerwarnung aussprechen, denn thematisiert wird hier Gewalt und sexualisierte Gewalt. Das in einer ziemlichen Intensität und Heftigkeit, dass es mir stellenweise beim Hören die Luft genommen hat. Die Erzählweise schafft einen solchen Sog und eine Intensität, dass es für mich kaum auszuhalten war.
Wenn man am Buch Anfang noch denkt, dass es vorwiegend um die Natur und die Wölfe geht, dann wird es zum Ende hin sehr intensiv und es geht vor allem um die Menschen.
Sind die Wölfe hier die „Raubtiere“ oder eher doch der Mensch?
Müssten die Menschen nicht eher vor sich selbst Angst haben?
Sind Wölfe/ Tiere die eindeutigeren Geschöpfe?
Nur einige der Fragen, die dieses Buch immer wieder unterschwellig aufwirft.
Fazit:
Wo die Wölfe sind“ ist ein intensiver, schwer verdaulicher Roman. Brilliant geschrieben und spannend bis zum Ende. Man erfährt viel über Wölfe, ihren Lebensraum und ihre Bedeutung für das Ökosystem. Gleichzeitig schaut man in die Untiefen des menschlichen Seins und die Auswirkungen von Traumata, die sich kaum heilen lassen.
Ein außergewöhnliches, hervorragendes Buch, aber man sollte wissen worauf man sich hier einlässt, auch wenn das Ende versöhnlich stimmt.
Das Hörbuch wurde von Eva Meckbach eingelesen, die mit ihrer leicht melancholischen ernsthaften Stimme eine großartigen Job gemacht hat.
Ich bin schon sehr gespannt, mit welchen Thema Charlotte McConaghy in ihrem nächsten Roman überrascht. Sie ist auf jedenfalls eine Autorin, die aussergewöhnlich ist und sicher das Zeug zum Klassiker hat.
Deshalb auch die Hörempfehlung für ihr erstes Buch “Zugvögel”.
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