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“Dankbarkeiten” von Delphine de Vigan

Dankbarkeiten von Delphine de Vigan

Delphine Vigan ist eine meiner liebsten Schriftstellerinnen. Sie hat einen für mich ganz besonderen Stil zu schreiben und berührt mit Ihren Büchern eine Ebene, die tiefer geht und eine spirituelle Komponente hat. Nachdem im letzten Jahr bereits “Loyalitäten” eines meiner Highlights war, ist es ihr mit “Dankbarkeiten” erneut gelungen mich zu begeistern.


Dankbarkeiten
von Delphine de Vigan
erschienen  10. März 2020 im Dumont Verlag  

umfasst 176 Seiten

*vorsorglich kennzeichne ich hier die Links, die zur Verlagsseite und zur Autorenseite führen als Werbung*
Herzlichen Dank an Dumont und Netgalley für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars!


Klappentext:

Michka, die stets ein unabhängiges Leben geführt hat, muss feststellen, dass sie nicht mehr allein leben kann. Geplagt von Albträumen glaubt sie ständig, wichtige Dinge zu verlieren. Tatsächlich verliert sie nach und nach Wörter, findet die richtigen nicht mehr und ersetzt sie durch ähnlich klingende. Die junge Marie, um die Michka sich oft gekümmert hat, bringt sie in einem Seniorenheim unter. Der alten Frau fällt es schwer, sich in der neuen Ordnung einzufinden. In hellen Momenten leidet sie unter dem Verlust ihrer Selbstständigkeit. Doch was Michka am meisten beschäftigt, ist die bisher vergebliche Suche nach einem Ehepaar, dem sie ihr Leben zu verdanken hat. Daher gibt Marie erneut eine Suchanzeige auf, und Michka hofft, ihre tiefe Dankbarkeit endlich übermitteln zu können.

So hat es mir gefallen:

Es ist wieder einmal großartig, wie es Delphine de Vigan gelingt auf nur 176 Seiten, so viel zu erzählen. Schnell nimmt man Anteil am Schicksal von Mischka und erfährt durch sie selbst und ihre Träume einiges aus ihrer Vergangenheit. Man nimmt Anteil an ihrem Verlust der Sprache, am Verlust des eigenen Ausdrucks. Ich empfand die Vorstellung schwer zu ertragen die Wörter nicht mehr zu “finden” und sich mit der eigenen Hilflosigkeit konfrontiert zu sehen. Hier gelingt es der Autorin so gut, dass der Leser/in sich in das “Altsein” hineinversetzen kann. Vielleicht geht es nur mir so, aber nach der Lektüre dieses Buches betrachte ich den Altenstift, an dem ich öfter vorbei fahre mit ganz anderen Augen. Trotzdem ist diese Geschichte nicht frustrierend oder beängstigend, sondern hoffnungsvoll und lebensbejahend.

Im Altenheim hilft der Logopäde Jérôme Mischka mittels Übungen ihren Sprachschatz zu erhalten. Zwischen ihnen entwickelt sich eine besondere Beziehung. So wie er ihr mit der Sprache zu helfen versucht, so erkennt sie seinen Kummer und hinterfragt diesen. Man wünscht sich sehr, dass es viele Jérômes auf dieser Welt gibt.

Aber ich schweige. Manchmal muss man sich der Leere stellen, die der Verlust hinterlassen hat. Auf Ablenkung verzichten. Akzeptieren, dass nichts mehr zu sagen ist. Neben ihr sitzen. Ihre Hand nehmen. So bleiben wir sitzen, sie schließt die Augen. Ich schaue nicht auf die Uhr.

Marie, die junge Frau, die Mischka bisher geholfen hat, steht in einer besonderen Beziehung zu ihr. Diese drei “zusammengewürfelten” Menschen (Mischka, Marie und Jérôme) stehen in einem besonderen Beziehungsgeflecht. Mischka ist für Marie noch eine wichtige Ratgeberin und umgekehrt ist Marie eine große Stütze und Motivation für Mischka.

In diesem Buch stecken so viele kluge Sätze. Behutsam wird aufgezeigt, wie wichtig manche vermeintlich willkürlichen Begegnungen sind und wie langfristig es nachwirkt sein Herz zu öffnen und andere Menschen darin aufzunehmen und zu begleiten. Ein tiefes Gefühl von Menschlichkeit wird mittels dieser kleinen Geschicht transportiert.

Fazit:

Viele kindliche Ängste und Befürchtungen bleiben ein Lebenlang im Unterbewusstsein verankert und beschäftigen uns noch immer, auch wenn wir alt sind. Unabhängig von der Frage des Alters oder des Könnens ist es so wichtig auf Menschen mit Mitgefühl und Herzenwärme zu treffen. Gerade in Zeiten wie diesen wird das immer wichtiger. Schön, dass es solche Bücher gibt, die einen sanft darauf hinschubsen und man es mit ihnen schafft aus dem großen Rad der Selbstoptimierung oder des Erfolgsstrebens auszusteigen und den Fokus wieder auf die tatsächlich wichtigen Dinge zu legen.

Meine absolte Leseempfehlung, um sich zu erden, um mitzuleiden und Hoffnung zu fühlen. Ein tiefer und lebensbejahender Roman. Ich hoffe auf noch viele solcher Bücher von Delphine de Vigan- vielen Dank dafür!

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