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” Tess” – Ein Klassiker von Thomas Hardy [ Rezension]

Buchcover Tess Thomas Hardy

 

Das Motto der ReisedurchdieGenres war im Mai ” Klassiker”.

Es ist ein weites und Dank der Schule auch vorbelastetes Feld für mich.

Lange schon habe ich keinen Klassiker gelesen, es gibt einfach zu viele tolle neue Bücher.

In der Schule habe ich mich oft durch die Klassiker in den gelben Reclamheften durchgebissen. Vielleicht lag die Erlebniswelt der Romane einfach zu weit von der Teenagerrealität dieser Zeit entfernt. Aber selten konnten sie mich innerlich erreichen, die Erinnerung daran ist meist mit Mühsal und der Hoffnung auf ” richtige” Antworten für gute Noten verbunden.

Bei diesem Maithema habe ich tatsächlich länger über diese Situation nachgedacht, weil ich dem ” Klassiker” deswegen doch ambivalent gegenüberstehe.


Der Klassiker an sich

In einem interessanten Artikel der Zeit wird gefragt:

“Sehr viel länger gebraucht worden zu sein als der Durchschnittstext – ist das, was einen Klassiker ausmacht?”

Ein interessanter Aspekt. Klassiker ein Text, der zu seiner Zeit ” gebraucht” wurde und ggf. an Aktualiät nichts eingebüsst hat?

Das würde allerdings bedeuten, dass man zu jedem klassischen Buch sich zunächst in den Entstehungskontext des Werkes einarbeiten sollte, um den Mehrwert für diese Zeit erkennen zu können.

Oder ist es vielleicht so, dass in einem Klassiker ” klassische Themen”, die eine Allgemeingültigkeit haben, die Zeit und Gesellschaftsstrukturen überdauern, abgebildet werden?

Der Duden definiert es so: Künstler oder Wissenschaftler, dessen Werke, Arbeiten als mustergültig und bleibend angesehen werden

” Mustergültig” eine interessante Definition in einer Zeit, die immer mehr klare Strukturen überwindet und durch Medien, Internet und Öffnung von Grenzen immer großräumiger wird und sich vieles nicht mehr so einfach in ” Muster” pressen lässt.

Hier stellt sich die Frage, was kann ich aus einem Klassiker ” herauslesen” was mir in der aktuellen Lebenssituation weiterhelfen kann?

Letztlich führt die Beschäftigung mit dem Thema “Klassiker” bei mir zu keinem abschliessenden Urteil. Ja, ich kann geschichtliche Informationen aus vielen Büchern herauslesen. Situationen die allgemeingültige Themen der “Menschwerdung” behandeln, finden sich für mich doch eher in der Gegenwartsliteratur, weil es dort mehr oder weniger in meiner Erlebniswelt gespiegelt wird.

Andererseits habe ich aber auch Lust bekommen, klassische Werke wieder anzunehmen und nicht unter schulischem Vorwand lesen zu müssen. So liegt bspw. Dante´s ” Göttliche Kommödie” auf meinem SuB. Was mir sehr gut gefällt am Thema Klassiker ist die andere Sprache. Einzutauchen in eine andere Form der Sprache, als die die aktuell genutzt wird, hat für mich etwas poetisches, lautmalerisches. Töne einer vergangenen Zeit.


Nun aber zurück zum eigentlichen Buch ” Tess” von Thomas Hardy.

Zum zeitlichen Kontext:

Thomas Hardy lebte von 1840 bis 1928 in Dorset/ England.

Klappentext:

Durch einen Zufall erfährt die in ärmlichen Verhältnissen lebende Familie Durbeyfield, dass sie altem normanischem Adel entstammt. Um der finanziellen Misere zu entrinnen, beschließt die junge Tess, einer in der Nähe lebenden Verwandten, der reichen Mrs. d´Uberville, einen Besuch abzustatten. Dort lernt sie deren skrupellosen Sohn Alec und den Pfarrerssohn Angel Clare kennen. Beide Männer bestimmen fortan ihr dramatisches Schicksal.

So hat es mir gefallen:

Thomas Hardy veröffentlichte diesen Roman unter dem Titel ” Tess von den d’Urbervilles- A Pure Woman Faithfully Presented” 1891 zum ersten Mal.

Aus dem Blickwinkel eines allwissenden Erzählers lernt der Leser die Geschichte der junge Tess kennen.

Tess stammt aus einer armen Familie mit einem trinkenden Vater und vielen Geschwistern. Eines Tages erfährt der Vater, dass er ein entfernter Nachfahre der “d’Urbervilles” ist. Daraufhin sieht er sich schon fast aus seiner Not gerettet. Die Tochter Tess soll dort ihre Aufwartung machen. Tess wird zu den vermeintlichen Verwandten geschickt. Dort wird sie vom Sohn Alec d’Urbervilles vergewaltigt. Tess kehrt verängstigt und schwanger zu ihrer Familie zurück. Sie bekommt das Kind, was aber bereits früh stirbt. Zwei Jahre später findet sie Arbeit in einer Melkerei. Dort lernt sie den Pfarrerssohn Angel Clare kennen. Beider verlieben sich und heiraten. Tess will ohne Geheimnis in diese Verbindung gehen und erzählt Angel von Ihrer Vergangenheit. Daraufhin verstösst Angel sie.

“ Doch der Charakter selbst äußerer Dinge schien sich mit fortschreitender Enthüllung zu wandeln. Das Feuer im Kamin bekam einen spitzbübischen, teuflisch belustigten Blick, als berühre es ihre Not nicht im geringsten….Doch das Wesen der Dinge hatte sich sehr wohl verändert.“

( Den weiteren Ausgang des Romans schildere ich hier nicht, um nicht zu spoilern.)

Tess ist eine recht naive Protagonistin, was aber angemessen ist im Kontext der Zeit in der sie lebte. Alec, in sehr starkem Masse, als auch Angel spiegeln einen selbstgerechten Egoismus einer Zeit wieder, in der Frauen kaum Rechte hatten. Allerdings ist dieser Roman sicher auch unter heutigen Gesichtspunkten leider immer noch aktuell.

Hardy lässt die männlichen Protagonisten sehr zeitgerecht wirken und stellt damit gut die viktoriansche Moral und Weltanschauung dar. Gerade die Doppelmoral dieser Zeit, im Hinblick auf den Umgang von Männern gegenübern Frauen, als auch den der Kirche, wird thematisiert.

Wie bereits erwähnt gefiehl mir direkt von Anfang an, in diese andere Sprache einzutauchen. Diese ist jedoch nicht zu verblümt oder klausuliert, so dass sich der Roman sehr gut in einem Rutsch lesen lässt. Thomas Hardy schafft es wunderschöne Landschaftsbeschreibungen in sein Werk einfliessen zu lassen und trotzdem auf die große Kluft zwischen Arm und Reich hinzuweisen.

Dieser Roman ist sicher ein Klassiker im Hinblick auf die Darstellung des Miteinander in dieser Zeit und lässt bereits den Wandel in der Gesellschaft  und die nahende Industrialisierung erahnen. Die Rolle der Frau und wie sie hier thematisiert ist, ist aktueller denn je und somit für mich ein absolut lesenwerter Roman.

 

 

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10 Comments

  • Reply
    Sabine
    Februar 4, 2019 at 7:14 am

    Hallo,
    als Klassiker-Fan (besonders englische und französische) hat mich diese Rezension natürlich sehr interessiert! Du hast schön zusammengefasst, was die Stimmung des Romsns ausmacht.
    Ja, den Begriff “Klassiker” zu definieren ist echt schwierig. Ich finde es auch ganz gut, “Weltliteratur” zu sagen (ich hatte im Studium auch eine kleine und große Liste der Weltliteratur). Im Sinne von: das sind Texte die der Welt bleiben werden, weil sie erzählerisch und thematisch bahnbrechend waren.
    Noch liebe #litnetzwerk-Grüße!
    Sabine

    • Reply
      Fredriksson
      Februar 4, 2019 at 7:38 am

      Hallo Sabine,
      “Weltliteratur” finde ich einen tollen Begriff.
      Habe mir für 2019 auch wieder vorgenommen ein paar Klassiker zu lesen. Ich sollte mir auch so eine Liste anlegen, ein guter Tipp.
      Liebe Grüße
      ISabel

  • Reply
    Sabine
    September 22, 2018 at 7:12 pm

    Schöne Rezension zu “Tess”, die habe ich vor Jahren gelesen und fand es sehr eindrücklich. Die Definition vom Duden, dass Klassiker “mustergültig” seien, finde ich wenig hilfreich. Bleibend, ja, weil sie in ihrer Zeit so besonders waren (haben sich getraut, gesellschaftliche Missstände anzusprechen, oder waren einfach neuartig erzählt), aber mustergültig ist mir zu konservativ. 😉
    Wie du schreibst, es ist einfach ein ganz anderes, viel konzentrierteres Leseerlebnis, Klassiker zu lesen, allein weil die Sprache anders ist. Ich mag es sehr gern.

    • Reply
      Fredriksson
      September 23, 2018 at 8:46 am

      Liebe Sabine,
      danke für Deinen lieben Kommentar.
      Ja, der Begriff “mustergültig” ist eigentlich per se schon irgendwie antiquiert ud schliesst Weiterentwicklung aus.
      Liebe Grüße
      Isabel

  • Reply
    Julia
    September 22, 2018 at 6:25 am

    Hey!
    Eine tolle Rezension und auch das was du vorher zu den Klassikern geschrieben hast. Ich finde das hättest du ruhig in einen eigenen Beitrag packen können, weil wirklich sehr viele auch negativ von der Schule vorbelastet sind und dann einfach keine Klassiker mehr lesen wollen, was sehr schade ist.
    Alles Liebe,
    Julia von https://thebookdynasty.de
    #Litnetzwerk

    • Reply
      Fredriksson
      September 23, 2018 at 8:31 am

      Liebe Julia,
      danke für Deinen lieben Kommentar.
      Das wäre eigentlich tatsächlich eine gute Idee gewesen, darüber einen eigenen Beitrag zu schreiben.
      Liebe Grüße
      Isabel

  • Reply
    Sabrina
    September 21, 2018 at 4:07 pm

    Liebe Isabel,

    ich liebe Klassiker und vor wenigen Wochen habe ich tatsächlich mein erstes Buch von Thomas Hardy gelesen – Am grünen Rand der Welt, ebenfalls in dieser wunderschönen Ausgabe von dtv. Mir hat das Buch wirklich ausgesprochen gut gefallen, gerade die Landshaftsbeschreibungen Hardys sind phänomenal.
    Ich bin mir noch nicht sicher, welches Buch mein nächstes von Hardy werden soll, aber deine Rezension macht mich neugierig auf Tess und ich kann mir gut vorstellen, dass ich es auf meine Wunschliste für Weihnachten setzen werde. Danke für diese tolle Rezension!

    Herzliche Grüße,
    Sabrina

    • Reply
      Fredriksson
      September 24, 2018 at 6:28 pm

      Liebe Sabrina,
      schön, dass es Dir gefallen hat:)
      “Am grünen Rand der Welt” hatte ich auch schon in der Hand, vielleicht auch einen gute Wahl für den Winter;)
      Liebe Grüße
      Isabel

  • Reply
    Nicci
    Juni 2, 2018 at 12:52 pm

    Hey!
    Diese hübsche Ausgabe wartet auch noch auf meinem SuB.
    Dein Fazit macht mich neugierig 🙂

    Liebe Grüße,
    Nicci

    • Reply
      Fredriksson
      Juni 3, 2018 at 1:49 pm

      Viel Spass beim Lesen!
      Liebe GRüße
      Isabel

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