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“Die Wut die bleibt” von Mareike Fallwickl

Die Wut die bleibt

Etwas „late to the Party“ aber dennoch gibt es hier nun auch die Rezension zu Mareike Fallwickls neuem Roman “Die Wut die bleibt“. Ein Buch, das gefühlt schon große Wellen geschlagen hat uns das zu recht.


“Die Wut die bleibt” von Mareike Fallwickl

erschienen am 22.03.2022 im Rowohlt Verlag

umfasst 384 Seiten

Herzlichen Dank an den Rohwoltverlag und Netgalley für die Bereitstellung des Leseexemplars!


Klappentext:

Helene, Mutter von drei Kindern, steht beim Abendessen auf, geht zum Balkon und stürzt sich ohne ein Wort in den Tod. Die Familie ist im Schockzustand. Plötzlich fehlt ihnen alles, was sie bisher zusammengehalten hat: Liebe, Fürsorge, Sicherheit.

Helenes beste Freundin Sarah, die ­Helene ­ihrer Familie wegen zugleich beneidet und bemitleidet hat, wird in den Strudel der ­Trauer und des Chaos gezogen. Lola, die ­älteste Tochter von Helene, sucht nach einer ­Möglichkeit, mit ihren Emotionen fertigzuwerden, und konzentriert sich auf das Gefühl, das am stärksten ist: Wut.

Drei Frauen: Die eine entzieht sich dem, was das Leben einer Mutter zumutet. Die anderen beiden, die Tochter und die beste Freundin, müssen Wege finden, diese Lücke zu schließen. Ihre Schicksale verweben sich in diesem bewegenden und kämpferischen Roman darüber, was es heißt, in unserer Gesellschaft Frau zu sein.

So hat es mir gefallen:

Ich hatte mich sehr auf diesen neuen Roman gefreut. Die vorherigen Bücher von Mareike Fallwickl sehr mochte ich sehr. “Dunkelgrün fast schwarzist eines meiner Lieblingsbücher.

Bei “Die Wut, die bleibt” habe ich mich gerade am Anfang mit dem Lesen sehr schwer getan. Das liegt keinesfalls am Schreibstil oder den Personen, sondern viel mehr amThema an sich.

Als Mutter von zwei Töchtern, traf es mich auf unterschiedlichen Ebenen ins „Mark“. Der Suizid von Helene und die Trauer der zurückgebliebenen Kinder hat mir schwer zu schaffen gemacht. Ich kann mir kaum vorstellen meine Kinder zurückzulassen und ob hier schon „das Problem“ liegt weiß ich nicht. Selbstverständlich kann ich diese Verzweiflung, die Helene erfahren hat, gut nachvollziehen und auch bei mir kommt die Wut hoch, wie verloren u.a. die Mütter in der Pandemie waren und noch sind. Letztlich ist es jedoch kein reines Pandemie-Thema, sondern vielmehr eine Problematik was Chancen, Wahrnehmung und Unterstütztung für Erziehende betrifft.

Die Identifikation sowohl mit Helene, als auch mit ihrer besten Freundin Sarah war schmerzhaft, da ich gefühlt von beiden Anteile in mir trage. Das macht das Buch auch so besonders, denn Mareike Fallwickl hat hier Figuren entwickelt, die realistisch sind, die Problematiken klar aufzeigen ohne dabei stereotyp zu sein.

Keiner von ist es angeboren, es gibt kein geheimes Wissen, das uns zu Müttern macht, keinen Genvorteil. Aber jeder erwartet von uns, dass wir ab der Sekunde der Geburt nie einen Fehler im Umgang mit einem Kind machen, weil wir angeblich einen Instinkt dafür haben.

Der Roman zeigt schonungslos, den Druck, dem Frauen täglich ausgesetzt sind. Die Problematiken als Mensch mit Kindern, die Überforderung, die viel zu oft hinter den Türen versteckt bleibt und über die nicht gesprochen wird. Vielmehr wir noch mehr Druck von Außen aufgebaut, um einem “perfektem Mutterideal” gerecht zu werden.

Ich konnte die unterschiedlichsten Positionen gut nachvollziehen und gleichzeitig habe ich mich hier und dort wirklich schwer getan. Selbstverständlich kann ich mich informieren und aufbegehren, so wie es Lola Sarah gegenüber fordert. Dennoch ist jede Generation auch „Opfer“ Ihrer Zeit. Ich bin in dem Glauben aufgewachsen, alles machen zu können, um dann im Studium festzustellen, dass die Vereinbarung von einer Berufkarriere und Familie nicht einfach bis unmöglich ist. Als meine älteste Tochter in den Kindergarten konnte (damals erst mit 3 Jahren), war selbst das nur möglich bis 12 oder 13 Uhr und die Kosten waren vergleichsweise hoch, so dass man sich fragen musste, ob die Arbeit überhaupt lohnt. Für eine Tätigkeit in einer Führungsetage, waren diese Zeiten unmöglich. Glücklicherweise haben mein Mann und ich uns die Erziehung- und Haushaltsarbeit von Anfang an geteilt, auch aufgrund von nicht vorhandener Unterstützung durch Großeletern etc.

Die Zeit der Pandemie war auch mit zwei relativ „großen“ Kindern nicht einfach und ich habe öfter gedacht, dass ich mit kleineren Kindern in diesem Zustand nicht hätte arbeiten könnte.

Das Buch macht mich betroffen, wütend und gleichzeitig fühlt man sich schuldig nicht so „clever/ informiert“ zu sein, wie die jetzige Generation. Auf jeden Fall bewirkt es, dass man sein eigenes Frausein an den Protagonistinnen spiegelt und reflektiert. Was will man mehr von einem Buch. Wenn es dann noch darüber in eine öffentliche Diskussion mündet, hofft man, dass es einer der Steine ist, die eine große Veränderung mit ins Rollen bringt.

Die Idee, dass Frauen zusammen halten sollten und damit die notwenige Veränderung herbei zu führen, finde ich wunderbar. Dennoch musste ich persönlich gerade in diese Richtung viele negative Erfahrungen machen. Häufig hatte ich das GEfühl, dass der Wettstreit unter den Müttern eher das gegenteil bewirkt. Ich hoffe und wünsche, dass die jüngere Generation anders miteinander umgeht und fühle mich hier meinen Töchtern gegenüber definitiv in der Verantwortung.

Die Position von Lola war für mich einerseits gut nachvollziehbar und man wollte sie beim Lesen oft nur in den Arm nehmen. Das Thema “Selbstjustiz”, das später im Buch aufpopt, hat mich allerdings wiederrum zweifeln lassen ( oder liegt hier schon wieder “mein” Problem?). Mit meinem Mann habe ich darüber diskutiert und er fand Lolas Handlungen sehr richtig. Auf jedenfall sieht man hieran wieder, was es für ein gutes Buch ist, wenn es den Diskurs anregt.

Fazit:

Mit “Die Wut, die bleibt” ist Mareike Fallwickl ein wichtiges Buch gelungen, dass hoffentlich zu vielen Diskussionen und Veränderungen beitragen wird. Für mich ist sie auf alles Fälle einen Autorin, die in den Lesekanon der SChulen aufgenommen werden sollte (hier ist ja auch noch viel Nachholbedarf!).

Definitiv eine Leseempfehlung, die unangenehm sein kann, die die LeserInnen herausfordert und an Grenzen bringen kann.

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